Anschreiben an die Landesjägerschaft
Das Umweltministerium nimmt Stellung zu den kursierenden Behauptungen zum Entwurf des Landesjagdgesetz.
Liebe Weidgenossin, lieber Weidgenosse,
zum neuen Jahr wünsche ich Ihnen alles Gute und ein kräftiges Weidmannsheil. Ich freue mich auf die weitere gute, sachorientierte und ehrliche Zusammenarbeit!
Auf einige der aktuell in den sozialen Medien und in einem Überläufer-Podcast kursierenden Behauptungen zum Entwurf des Landesjagdgesetzes, zu dessen Entstehung und der Arbeitsweise meines Ministeriums und mir persönlich möchte ich reagieren und sie richtigstellen:
Es wird behauptet, dass die Selbstverantwortung der Jägerschaft unter dem Motto „klimaresilienter Wald“ beendet werde.
Fakt ist, dass Landnutzer und Jägerschaft gemeinsam für Wildschäden in Wald und Offenlandschaft und für deren Vermeidung aufkommen müssen. Die Selbstverwaltung der Jägerschaft besteht fort. Auch wenn die Wildschadensausgleichskasse bis zu 90% der entstandenen Wildschäden übernimmt, ist die Jägerschaft zu Mitglieds- und Schadensbeiträgen verpflichtet. Da die Wildbestände insbesondere beim Rot- und Damwild seit Jahren steigen, wird auch der finanzielle Beitrag der Jägerschaft zum Wildschadensausgleich steigen. Darum kommt die Jägerschaft künftig durch die notwendige Anpassung der Abschüsse ihrer ureigenen Hegeverantwortung nach.
Mein Grundsatz gilt in Mecklenburg-Vorpommern: Wald, Wild und Landschaft bilden eine Einheit.
Es wird behauptet, der Gesetzesentwurf ermögliche einen grenzenlosen Wildabschuss.
Fakt ist, dass der Gesetzesentwurf keinen grenzenlosen Wildabschuss ermöglicht. Hegeverpflichtung und Verpflichtung zur Einhaltung der geltenden Wildbewirtschaftungsrichtlinie haben weiterhin Bestand. Die Hegegemeinschaften haben eine hohe Verantwortung im Einvernehmen mit unserer Jägerschaft den Grundsatz der gesunden, artenreichen und angepassten Wildbestände umzusetzen.
Fakt ist auch, dass es sich bei dem im Gesetz vorgesehenen Mindestabschussplan um eine Option des Jagdausübungsberechtigten handelt und nicht um eine Verpflichtung.
Jagdausübungsberechtigte entscheiden selbst und auf Grundlage ihrer Einschätzung über den Wildbestand in ihrem Jagdbezirk, inwieweit sie den bestehenden Abschussplan überschreiten. Die Jägerschaft hat bei der schon jetzt ohne Abschussplan erfolgenden Bejagung des Schwarzwildes und des Raubwildes gezeigt, dass sie dieser Verantwortung gerecht wird und diese Wildarten weder ausgerottet noch grenzenlos bejagt hat.
An dieser Stelle möchte ich unseren Jägerinnen und Jägern sehr für diese wertvolle Arbeit der Wildbestandsregulierung danken. Unser Umgang mit der Afrikanischen Schweinepest hat gezeigt, wie wir in solchen Situationen zusammenstehen. Natürlich haben wir die Schwarzwildbestände reduziert, aber nicht ausgerottet. Das war auch nie das Ziel.
Es wird behauptet, Interessenverbände würden die Drohnenjagd und den Einsatz von Nachtzieltechnik für die Jagd auf alles Schalenwild anstreben. Es wird angedeutet, der Gesetzesentwurf würde dies nun ermöglichen.
Fakt ist, dass diese Darstellung eine Falschbehauptung ist.
Richtig ist, dass für die klassische Jagdausübung Drohnen verboten bleiben.
Fakt ist auch, dass der Gesetzesentwurf die Rettung von Rehkitzen und anderem Jungwild vor dem Mähtod ermöglicht. Die Nutzung von (Wärmebild)Drohnen wird zu diesem Zwecke legalisiert. So kann die Rettung flexibler und effektiver gelingen.
Ich selbst war in diesem Jahr mit dem LJV bei der Kitzrettung dabei. Das ist eine hervorragende Arbeit, die hier geleistet wird.
Der Gesetzesentwurf ermöglicht zudem die effektive Nachtjagd mithilfe von Nachtsichttechnik ausschließlich für Schwarz- und Raubwild sowie Nutria. Die Nachtjagd auf Rot- und Damwild bleibt weiterhin im Zeitraum 1. Oktober bis 31. Januar ohne Nachtsichttechnik zulässig. Damit ist das Landwirtschaftsministerium der Forderung des Landesjagdverbandes vollumfänglich nachkommen.
Es wird behauptet, das Wildwirkungsmonitoring sei in Wirklichkeit ein Wildschadensmonitoring. Es würde die eigenverantwortliche Planung der Wildbestände beenden.
Fakt ist das Gegenteil. Die Abschussplanung konnte nie zuvor so eigenverantwortlich erfolgen wie mit dem jetzt vorliegenden Gesetzesentwurf.
Das Wildwirkungsmonitoring ist ein systematisches, wissensbasiertes Verfahren das untersucht, wie der Einfluss des Wildes (insbesondere von Rot-, Dam- und Rehwild) auf die Stabilität des Waldökosystems auch unter den zukünftigen Herausforderungen des Klimawandels ist. Es geht um reale Ergebnisse durch langfristiges Monitoring des Wildeinflusses auf die Umwelt unter Einbeziehung der Daten und Erfahrungen der Hegegemeinschaften.
Sind wir doch mal ehrlich, es gibt doch Eigenjagdbezirke, in denen derart überhöhte Wildbestände existieren, die zu erheblichen Wildschäden in der Landwirtschaft und der Forstwirtschaft und im Übrigen zu schweren Unfällen mit Sach- und Personenschäden geführt haben. Das ist doch der Jägerschaft bekannt, wo im Land diese Probleme existieren!
Es wird behauptet, der Landesjagdverband werde aufgrund des Entwurfes nicht mehr Landesjägerschaft, sondern nur noch ein Verein wie jeder andere.
Fakt ist, dass die Anerkennung als Landesjägerschaft allein davon abhängt, ob ihr mindestens 50 % der Jagdscheininhaber des Landes als Mitglieder angehören oder nicht. Die Neuformulierung des § 40 Abs. 1 Landesjagdgesetz dient einem besseren Verständnis der Regelung. Der Landesjagdverband wird, solange er mindestens 50 % der Jagdscheininhaber des Landes in sich vereint, die Landesjägerschaft Mecklenburg-Vorpommerns bleiben und seine gesetzlich verbrieften Aufgaben wahrnehmen.
Behauptet wird, im Ministerium für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt MV würden „mächtige Ministerialbeamte am Werk“ sein, „die ihre eigene Agenda haben“ und die Auffassung vertreten, ich müsste als Minister auch nicht alles wissen was ich dort (im Landesjagdgesetz) vertrete und unterschreibe.
Wer mich aus meiner über 25-jährigen Dienstzeit kennt, weiß, dass ich ein gewissenhafter und gründlicher Mensch bin. Ein Gesetz welches ich unterschreibe, lese ich vorher gründlich, mache meine Anmerkungen und lasse Passagen korrigieren, wenn ich es bezogen auf den Interessensausgleich für angemessen halte. Die Novelle zum Landesjagdgesetz wurde in einem langjährigen Prozess seit 2019 erarbeitet. Der Landesjagdverband war stets umfassend beteiligt. Insgesamt haben sich 34 Verbände und Institutionen im Rahmen der Verbändeanhörung zum vorgelegten Entwurf geäußert. Die einzelnen Argumente wurden fachlich, jagdpolitisch und gesellschaftspolitisch abgewogen. Der abgestimmte Entwurf fand schließlich im Kabinett am 5.September 2023 Zustimmung.
Der Landesjagdverband hat in der Jagdbeiratssitzung am 31. Juli 2023 diesem Gesetz zugestimmt. Dieses Gremium berät mich. Auch das gehört zur Wahrheit.
Ich möchte Sie alle bitten, zur Sachlichkeit und faktenbasierten Argumentation zurückzukehren. Nutzen Sie die Gelegenheit, um in Ihren Hegeringen über die verschiedenen Argumente fachlich fundiert und im Sinne der Sache zu diskutieren. Gern biete ich dabei Unterstützung durch die Mitarbeitenden meines Hauses an. Aber lassen Sie sich nicht von falschen Behauptungen leiten. Bilden Sie sich selbst eine persönliche Meinung!
Wir leben in nicht einfachen Zeiten. Ich bedaure es sehr, wie manche Entscheidungen in Berlin zustande kommen. Ich versichere Ihnen, ich treffe Entscheidungen, wäge ab und arbeite wissensbasiert und faktenorientiert. Wir haben das „grüne Abitur“ abgelegt, um mit der Natur im Einklang zu leben, sie zu nutzen und zu hegen. Diese Passion, die Tradition und Zukunft liegen in unserer Hand und sind unsere gemeinsame Verantwortung.
Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie ein gesundes, erfolgreiches und friedlicheres Jahr 2024.
Weidmannsheil
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Till Backhaus